Michael, du hast unter anderem Grafik-Design studiert, wie kam es dazu?
Zu meiner Zeit (Abitur 1982) war es ein viel größeres Risiko, Kunst zu studieren. Ich hatte es mir überlegt, mich aber dann doch nicht getraut. Brotloser Beruf und so. Damals gab es nur einen Bruchteil der Sammler wie heute und auch viel, viel niedrigere Preise – selbst für die bekanntesten Maler. Heute würde ich es definitiv anders machen. Kunst ist mein Leben. Grafik wurde es ja auch deswegen, weil ich dort vor allem Fächer hatte wie Zeichnen, Aktzeichnen, Malerei, Farbe, Komposition und Illustration. Zu meiner Zeit gab es noch keinen Mac, an dem wir Medien gestaltet hätten. Wir haben noch alles von Hand gelernt.
Du bist im Chiemgau geboren, hast in München studiert und lebst jetzt in Regensburg. Was gefällt dir an der Stadt? Warum Regensburg und nicht mehr München?
Die Liebe hat mich hierher gebracht, auch wenn ich mir früher nie vorstellen konnte, das wunderbare München zu verlassen. Mir gefällt Regensburg, eine Stadt, die mich inspiriert. Die alten Gemäuer, die Geschichte dieser früher so bedeutenden Stadt des Immerwährenden Reichstages, die Lage an der Donau. Ich lebe in der Altstadt und habe mein Atelier auf einer Donau-Insel, beides gehört zum Welterbe. Das gibt mir Energie. Fantastisch!
Wie ist die Regensburger Kunstszene?
Spannend, vor allem auch was junge Künstler angeht. Einige sind ja sogar hier bei ARTvergnuegen vertreten: Nico Sawatzki oder Alex Rosol beispielsweise. Vor allem einige junge Künstler heben sich von dem ab, was in Berlin und überall sonst schon fast gleich aussieht. Und wir haben den ältesten Kunst- und Gewerbeverein, eine Kunstmesse, ein großes Kunstmuseum und viele Galerien.
Wann und warum hast du dich entschieden, dich der Kunst zu widmen?
Ich habe zu meinem 9. Geburtstag einen Kasten mit Ölfarben geschenkt bekommen, weil ich damals schon gezeichnet habe. Mein Großonkel, ebenfalls Maler, hat mir die Anfänge beigebracht. Von da an habe ich das Zeichnen und die Malerei immer verfolgt. Als Schüler wollte ich immer der Beste der Schule werden, auch im Studium war es mir ständig Ansporn, die besten Arbeiten zu liefern.
Beschreibe deinen Stil in wenigen Worten.
Meine Arbeiten sind zweigeteilt. Zum einen ist da die abstrakte Malerei, bei der ich mit unterschiedlichen Materialien erst eine Basis schaffe. Mit Materialien wie Marmormehl, Sumpfkalk, Kaffee, Erde, tierischen Leimen etc. entstehen teils nicht steuerbare Bereiche, die oft gewollt Risse bilden. Darauf arbeite ich dann weiter, gestalte die Fläche mit Elementen und Farben. Teils klebe ich Bereiche ab, teils male ich nass in nass mit dem Untergrund oder erst nach tagelangem Trocknungsprozess die letzten Schichten. Und dann habe ich da noch meine Heels-Bilder. Dort arbeite ich bisher mit Acryl, auch mal mit Bitumen oder anderen Farben. Das sind Motive von erotischen Schuhen, die auch getragen werden. Das heißt, die Füße und teils die Beine sind zu sehen. Quasi Schuhe in Action!
Was fasziniert dich besonders an der abstrakten Malerei?
Zum einen bedeutet es für mich einen Weg in die kreative Freiheit, da ich früher grafisch gestaltet und fotorealistisch gemalt habe. Sich loszulösen von einem Motiv und von einer Vorlage – ob Natur oder Foto – ist dann nicht so einfach. Ich fange ja quasi mit nichts, mit einer leeren, weißen Leinwand an. Ich lasse mich aber nicht komplett treiben, ich habe einen gewissen Plan. Doch auch wenn ich diese ungefähre Vorstellung vom Ergebnis habe, inspirieren mich die entstehenden Flächen. Auch die Intuition spielt natürlich eine große Rolle. Zum Schluss kommt etwas ganz anderes, viel Besseres heraus.
Was sind deine bevorzugten Arbeitsmaterialien? Wie ist deine Technik/Herangehensweise?
Ich probiere immer wieder Neues aus, zuletzt habe ich Stücke einer Jeans als Collage zusammen mit Kaffee eingearbeitet. Aber ich arbeite viel mit den schon erwähnten Materialien, und zwar meist auf eine Art und Weise, wie es eher ungewöhnlich ist. Denn so entstehen Spannungen und Risse. Und eben sehr viele nicht steuerbare Ergebnisse, die mir weitere Anregung sind.
Zufälligkeit spielt in deinen Werken eine große Rolle.
Ja, diese Zufälligkeiten machen sehr viel aus. Die Ergebnisse sind nicht glatt und steril, sie haben einen gewissen Charme. Sie erinnern mich teilweise an die alten Mauern, die es hier in Regensburg so häufig gibt.
Wie wichtig ist dir die Wirkung deiner Werke, wenn sie dann fertig sind?
Ein Bild – oder jedes Kunstwerk – hat die Aufgabe, den Betrachter anzusprechen. Kein Bild wird alle ansprechen, aber jedes gute Bild findet seine Liebhaber. Und mit ihnen tritt es in Kommunikation. Also hat es eine Wirkung. Wer seine Bilder nur für sich malt, macht keine Kunst. Es fehlt die Kommunikation mit dem Betrachter. Ob die Wirkung allerdings ästhetisch sein muss oder bewusst mit der Ästhetik bricht, ist Sache des Künstlers. Bei mir ist es schon eher die Ästhetik, die trotz der und aus all den unebenen und zerbrochenen Flächen entsteht.
In welcher Stimmungslage arbeitest du kreativer: mit guter oder schlechter Laune?
Ich habe beim Malen fast immer gute Laune. Ich kann aber kaum sagen, ob mich das Malen in gute Laune versetzt oder ob ich nur bei guter Laune malen kann. Das ist vielleicht eine Wechselwirkung.
Wann ist ein Werk perfekt oder vollendet?
Vielleicht ist es ja gerade das, was den wahren Künstler ausmacht: Dass er ein Gespür dafür hat, wann ein Werk fertig ist und er aufhören muss. Aber weiß man das wirklich je?
Neben deinen abstrakten Werken malst du auch gerne High Heels in Acryl. Wie kam es dazu?
Vielleicht weil mich als Mann die Formen der Schuhe ansprechen und sie jede Frau sexier machen … oder weil sie ein verstecktes Symbol für Erotik sind. Eine nackte Frau – oder in Zeiten von 50 Shades – eine gefesselte Frau – einfach nur eins zu eins darzustellen ist meist plump und kitschig. Die Kunst spricht von jeher mit Symbolen. Der Totenschädel, das Wasserglas oder die halb geschälte Zitrone bei den alten Meistern waren alles Symbole und eindeutige Andeutungen.
Wie viel Zeit verbringst du mit der Kunst?
Sehr viel! Ich bin jede Woche zwei, drei, vier Tage im Atelier und auch zu Hause skizziere ich, lese ich, beschäftige ich mich mit der Kunst allgemein und mit Künstlern und ihren Werken, gehe in Galerien und Museen, arbeite an der Vermarktung meiner Bilder. Und vor dem Einschlafen kreiere ich im inneren Auge oft die Ideen für neue Bilder.
Was gibt dir die Kunst? Was bedeutet sie für dich?
Kunst ist keineswegs Hobby, also im Sinne von einer netten Freizeitbeschäftigung. Ein kluger Mann hat einmal geschrieben: Kunst hat nichts mit Wollen zu tun – wahre Kunst hat was mit Müssen zu tun. Ich habe mal eine Weile aufhören müssen zu malen. Es war eine Zeit des Leidens.
Gibt es zukünftige Projekte, von denen du uns schon erzählen magst?
Ich beschäftige mich gerade sehr mit konzeptioneller Kunst und philosophischen oder psychologischen Fragen. Das wird sicher Einfluss auf meine Arbeit haben. Konkret weiß ich jedoch oft nur, was ich mit den nächsten drei, vier Bildern vorhabe. Vielleicht mache ich wieder ein paar Assemblagen. Auf jeden Fall sind demnächst wieder ein paar Heels-Bilder dran. Oder ganz andere Materialien. Ich habe aber auch ein paar größere Projekte im Kopf, zu denen mir leider die Zeit zur Umsetzung und noch die richtigen Partner fehlen. Es bleibt spannend!