Robert, was fasziniert dich so an den 20er Jahren?
Keine Ära der jüngeren deutschen Geschichte ist so klar umgrenzt wie die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Es gibt einen schlimmen Anfang und ein katastrophales Ende. Dazwischen aber war es eine unvergleichlich intensive und produktive Zeit, in der es in allen kulturellen Bereichen bahnbrechende Innovationen gab, egal ob in der Musik, in Theater, Literatur, Architektur, Mode oder im Film. Die Menschen in Europa wussten, dass die politische und wirtschaftliche Lage überaus instabil war. Alle wollten das Leben genießen. Es war der sprichwörtliche „Tanz auf dem Vulkan“.
Wolltest du schon immer Künstler werden?
Dinosaurierforscher, Profisportler, Krankengymnast waren meine frühen Berufswünsche. Nach dem Abi habe ich dann erst mal Jura studiert, nach einem Semester aber zum Glück an die FH Münster in den Fachbereich Design gewechselt.
Auf welches deiner Werke bist du besonders stolz?
Auf mein allererstes Buch „Gangster. Die Bosse von Chicago“. Es war die Abschlussarbeit meines Grafikdesign-Studiums. Ich habe das Ding noch ohne Support durch einen Verlag oder einen Autor gewuppt. Mit diesem Buch unterm Arm bin ich dann über die Frankfurter Buchmesse getigert. Es hat mir damals die Tür zu meinem ersten Verlag geöffnet und war Beginn einer großen Trilogie über die 20er/30er Jahre in den USA mit den Themen Kriminalität/Prohibition in Chicago, Jazz in New York und Hollywood.
Wie bist du zur Kunst gekommen? Liegt die Begeisterung für Kunst bei dir in der Familie? Wie hat sie sich bei dir entwickelt?
Unser Großvater hat gemalt, war Zille-Fan und selbst Mundart-Dichter. Die Großmutter ist in Paris geboren und interessierte sich sehr für Mode. Mein Vater kommt aus Kassel und so waren wir schon als Kinder treue Besucher der Documenta. Meine Mutter hat einmal als Kind ein Fahrrad bei einem Malwettbewerb gewonnen. Meine Schwester ist Künstlerin geworden und die kleine Schwester studiert Kunstvermittlung. Man könnte also schon davon sprechen, dass meine Familie irgendwas mit Kunst zu tun hat. Ich selbst hab als Kind am liebsten gemalt, wie der Weiße Hai mit dem Orca kämpft.
Was begeistert dich neben der Kunst?
Mir wird nie langweilig! Ich kann mich sehr gut ablenken mit allerhand Freizeitaktivitäten, unter anderem mit meinen beiden Töchtern oder mit meiner Band Kernspaltung, Apnoetauchen oder dem selbst ausgerichteten „Iron Johnny Triathlon“. Beruflich gesehen bilden meine Buchprojekte den Kern meiner Arbeit. Weitere Säulen sind die Produktion von Siebdruck-Editionen und natürlich das ganz normale Auftragsgeschäft, für das ich zusammen mit meiner Lebensgefährtin Christine und meiner Schwester Astrid das Studio Nippoldt gegründet habe.
Du lebst und arbeitest in Münster. Was verbindest du mit der Stadt?
Münster ist die Stadt, in der ich studiert habe und in der ich mir eine gewachsene Ateliergemeinschaft aufgebaut habe. Sie ist überschaubar und erlaubt mir, zusammen mit meiner Familie und vielen Freunden in einem großen Haus mit Garten zu leben. Nach Berlin hat es mich dagegen nie gezogen, auch wenn ich für Recherchen oft dort bin.
Wie entstehen deine Werke? Mit welchem Material arbeitest du am liebsten?
Meine Leidenschaft gilt – wie man unschwer an meinen Büchern erkennen kann – dem Portrait und der Figur. Zurzeit entwickle ich eine für mich neue Zeichentechnik. Hierbei ziehe ich Figuren in Bewegung in einem Schwung mit dem Tuschepinsel und setze so die Dynamik der Szene ins Bild. Das braucht schon mal 40-50 Versuche pro Motiv, bis es passt. So entstand bisher eine große Serie von Tanzzeichnungen. Ich biete sie auch einzeln als Originale an. Demnächst möchte ich diese Technik verfeinern und auch auf andere Motive ausweiten.
Hast du ein Lieblingsbuch?
„Herr Korbes will Klein Hühnchen küssen“ von Janosch.
Gibt es ein künstlerisches Ziel, das du verfolgst?
Unsterblich reich sein, und ekelhaft berühmt. (lacht)
Hast du ein künstlerisches Vorbild?
Da fallen mir als Erstes die Werke von Henri de Toulouse-Lautrec, Aubrey Beardsley und George Grosz ein, deren großer Bewunderer ich bin. Die präzisen Charakterstudien von Lautrec und Grosz, und Beardsleys Schwarz-Weiß-Kompositionen finde ich nach wie vor unglaublich inspirierend.
Bist du sehr kritisch mit deiner Arbeit?
Während unserer neuen Bühnenshow „Ein rätselhafter Schimmer. Das Berlin der 20er in einer poetischen Amüsierschau“, die wir gerade im Vorfeld meines neuen Buchprojekts entwickelt haben, geistert mir ständig diese selbstkritische Stimme im Kopf herum. Auch sonst habe ich einen recht perfektionistischen Anspruch an meine Werke. Wobei das immer auch eine Frage der Wertung ist - manchmal kann das Dilettantische genau richtig sein. Die Kunst ist, den schmalen Grat zu treffen zwischen Kontrolle und Lockerheit.
Wo findest du Inspiration?
Ganz viel in Büchern, Archiven, bei anderen Zeichnern und ganz besonders durch Gespräche und Unternehmungen mit Kollegen, Freunden und vor allem mit meiner Frau Christine.
Du unterrichtest auch an der Fachhochschule Münster und der Akademie Regensburg. Was reizt dich am Lehren?
Die Rolle der klugscheißenden Autorität. (grinst)
Welches Motiv möchtest du unbedingt mal zeichnen?
Die Mannschaft von Borussia Dortmund und Barack Obama.
Kannst du dir vorstellen, mit anderen Künstlern zusammen zu arbeiten?
Ich bin ein Gruppenmensch. Ich brauche den Trubel und die Gesellschaft anderer zur Inspiration und den gemeinsamen Spaß. In den letzten Jahren hat sich ein kleiner Stamm an Kollegen und Kolleginnen, darunter Künstler, Illustratoren und Musiker, zusammengefunden, in dem wir uns gegenseitig beraten und mit denen ich zeitweise auch zusammenarbeite. Daraus ist vor ein paar Jahren wie gesagt das Studio Nippoldt hervorgegangen, ein Projekt meiner Schwester, meiner Lebenspartnerin und mir, in dem wir neben unserer jeweiligen individuellen künstlerischen Arbeit gemeinsam gestalterische Auftragsarbeiten ausführen. Für die Bühnenauftritte habe ich mich mit dem Just Jazz Trio zusammengefunden.
Arbeitest du lieber frei oder nach Aufträgen?
Wie immer macht’s auch hier die Mischung. Ich arbeite eigentlich permanent an eigen initiierten, längerfristigen und manchmal auch langwierigen Projekten, wie zum Beispiel meine Bücher oder die Entwicklung von dazu passenden Bühnenauftritten (Lesungen, Live-Zeichen-Acts, konzertante Bilderschauen etc.). Da freu ich mich zwischendurch auch mal über einen klaren, einfachen, schnell zu erledigenden Auftrag. Am liebsten natürlich einen, der mir trotzdem alle Freiheiten lässt und keinen Zeitdruck hat.
Welche Kunst hängt in deiner Wohnung?
Hauptsächlich die Zeichnungen meiner Kinder.
Planst du deine Motive oder überlässt du sie dem Zufall?
Die gehen alle auf eine sehr umfassende Recherchearbeit zurück. Aber wie immer beim Suchen entdeckt man auch zufällig Bilder und Geschichten, die ich dann dankbar aufnehme.
Gibt es zukünftige Projekte, von denen du uns schon berichten magst?
Mein nächstes großes Buchprojekt wird über die Nacht im Berlin der 20er Jahre sein, das Zentrum Europas dieser Zeit, Sündenbabel und Schmelztiegel von Menschen, Geschichten und kulturellen Explosionen.