Ines, wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Das ist schwer. Was mich interessiert, ist Dinge weiterzuentwickeln. Deshalb hat es oft etwas mit Material zu tun. Material interessiert mich. Im Englischen gibt es den Begriff Fiber Artist. Ich werde auch oft als Fiber Artist bezeichnet und das passt auch so für mich. Es geht nicht nur um die Fasern und Materialien, aber das ist schon wichtig. Im Deutschen klingt es dann doch eher komisch.
Gibt es etwas, das dich maßgeblich inspiriert?
Das Thema Geschichten, Geschichten erzählen oder auch hinter eine Geschichte blicken. Wenn ich dir jetzt erzähle, wer ich bin, dann erzähle ich dir eigentlich eine Geschichte. Geschichten sind schön und spannend. Aber könnte ich dir auch anders mitteilen, wer ich bin? Könnte ich dir eine Form geben, du hältst sie und dann weißt du alles über mich? So was, da denke ich viel drüber nach, wenn ich meine Kunst mache.
Du hast als Marktanalystin gearbeitet. Wie bist du darüber zur Kunst gekommen?
Mein Weg war nicht ganz geradlinig. Ich habe Sprachwissenschaften studiert und das sieht man auch noch an den Sachen, die ich mache. Das hat oft alles mit Sprache zu tun. Mein Nebenfach war Kommunikation und Medienwissenschaften. Und dadurch bin ich in die Fernsehforschung gekommen. Dann war ich in Leipzig beim Mitteldeutschen Rundfunk und bin, als wir hierher gezogen sind, irgendwie in der Unternehmensberatung als Marktanalystin gelandet und von dort immer mehr in die Trendforschung gerutscht. Das hat mir auch lange Spaß gemacht, dieses analysieren und in Zusammenhang mit den Trends in die Zukunft blicken. Das ist auch immer noch da, aber es gab eben was, was ich auch immer machen wollte, aber was immer nur so nebenbei lief. Nämlich etwas mit den Händen machen und mich selber ausdrücken. Irgendwann habe ich gemerkt, dass es soweit ist und ich nicht mehr länger warten kann. Ich habe meinen Job an den Nagel gehängt und nehme mir seit 2013 nun Zeit für meinen kreativen Ausdruck. Ich probiere alles Mögliche aus.
Liegt die Kreativität in der Familie?
Nein. Ich glaube, wenn es da mehr Vorbilder gegeben hätte, hätte ich einen direkteren Weg eingeschlagen und eher geglaubt, dass das was ist, was ich machen kann. Aber das gab es eben nicht, da war Sprachwissenschaft zu studieren schon verwegen.
Kannst du dir vorstellen, mit anderen Künstlern zusammenzuarbeiten?
Ja. Ich habe das zwar noch nicht so intensiv gemacht, aber ich habe eine Brieffreundin in England. Sie schickt mir immer ihre Sachen hierher und ich lasse mich davon inspirieren und schicke ihr etwas zurück. Das ist ein Projekt, das geht jetzt schon über mehrere Jahre und irgendwann werden wir das mal ausstellen. So was oder so ähnliche Sachen, das habe ich schon gemacht. Aber ich könnte mir auch eine intensivere Zusammenarbeit vorstellen. Demnächst werde ich mit einem Fotografen zusammenarbeiten. Mal gucken, was dabei entsteht. Objekte, die ich gemacht habe, werden mit einem Modell gemeinsam fotografiert.
Wie würdest du dich selbst beschreiben?
Mich interessiert das Intellektuelle, aber auch das Sinnliche. Und beides zu verknüpfen, das mag ich.
Ist ein Werk irgendwann perfekt?
Eigentlich nicht. Es gibt immer Endpunkte, wo ich denke: „Jetzt ist es gut.“ Aber ein halbes Jahr später scheint es mir dann nicht mehr so. Ich ändere mich ja auch ständig und es ist ein Teil von mir, wie ich mich ausdrücken will. Es wird nie diesen Endpunkt geben, es geht immer weiter.
Hängst du an einem Werk von dir besonders?
Es gibt immer mal so Meilensteine, bei denen ich das Gefühl habe, es tut sich etwas Neues auf. Das gab es so vorher noch nicht. Als ich mit dem Beton angefangen habe, war das auf jeden Fall ein Aha-Erlebnis. Dann habe ich angefangen, Bücher übereinander zu stapeln und dachte: „Wow, das ist ja auf einmal eine Skulptur!“ Ich merke immer mehr, dass ich in das Dreidimensionale möchte. Dabei interessiert mich aber der Übergang am meisten. Wo das Flache langsam dreidimensional wird. Das sind wahrscheinlich auch so die Aha-Erlebnisse gewesen, als ich gemerkt habe, wenn ich das Buch zerschneide, dann stellen sich die Seiten auf, es ragt in den Raum hinein und es hört auf, so flach zu sein. Das gefällt mir sowohl sinnlich als auch intellektuell, wenn ich überlege, was das alles bedeuten kann. Das finde ich unglaublich spannend.
Vermittelst du auch deine Kunst oder lässt du den Betrachter hauptsächlich alleine mit deinem Werk?
Manchmal kommen mit dem Titel Anstöße, in welche Richtung man denken könnte. Ich finde es aber auch schön, wenn da nicht so viel Geschichte mitgeliefert wird, sondern der Betrachter das selber sieht oder auch nicht sieht.
Wie gestaltet sich dein Alltag?
Es gibt ein paar Familiendinge, die geregelt werden müssen. Wenn in der Früh alle aus dem Haus sind, nehme ich mir erst mal ein bisschen Zeit für mich und überlege, was ich an dem Tag mache. Oft habe ich schon Pläne und Dinge bereitliegen, mit denen ich arbeite. Manchmal habe ich aber auch Ideen, während ich arbeite, und dann muss ich aufspringen und daran weiterarbeiten. Ich arbeite oft an mehreren Sachen gleichzeitig. Insofern ist jeder Tag auch anders. Es kann sein, dass ich mal eine ganze Woche lange Text verhäkel und dann ist es relativ klar, dass ich den ganzen Tag nichts anderes mache. Es gibt aber auch Phasen, wo ich morgens nicht weiß, was ich mache. Aber irgendetwas passiert immer.
Legst du Wert auf die Meinung anderer zu deinen Werken?
Es interessiert mich, was andere dazu denken. Aber es ist jetzt nicht so wichtig. Wichtiger ist eigentlich, was ich darüber denke. Es ist auch oft überraschend. Ich will schon, dass es gesehen wird, was ich mache. Deshalb lade ich es auf Facebook oder Flickr hoch. Es ist schon spannend, auf was die Leute reagieren oder was sie drunterschreiben, weil es oft nicht das Gleiche ist, was ich denke.
Hast du ein künstlerisches Vorbild?
Es gibt viele, die ich spannend finde, wie die Louise Bourgeois, die vor Kurzem in München ausgestellt wurde. Weil sie eben auch vielseitig ist, auch mit Textilien arbeitet und trotzdem viele verschiedene Materialien nutzt. Aber auch bis zu Klee, der sich halt für Muster interessiert hat. Das gefällt mir auch total.
Gibt es Materialien, mit denen du besonders gerne arbeitest?
Am liebsten arbeite ich mit etwas, was eine Geschichte hat. Ganz allgemein, das können Textilien sein oder Plastiktüten. Aber vor allem auch etwas, wo Text drauf ist, also Bücher und Zeitungen. Das sind ja auch eigentlich nur Geschichten. Das hat aber auch einen guten Bezug zu dem, was jetzt gerade passiert und dadurch hat es auch eine Emotionalität in sich.
Was bedeutet Kunst für dich?
Im Moment ist es einfach die Art zu leben und Anteil zu nehmen an dem, was um mich herum passiert, und auch Einfluss zu nehmen, eben mit diesen Mitteln.
Kannst du dir vorstellen irgendwann wieder in einen ganz anderen Bereich zu gehen?
Ganz ausschließen will ich das nicht. Dieses Jahr habe ich angefangen, Kurse zu geben, und das macht mir auch Spaß. Das könnte wichtiger werden. Nächstes Jahr fahre ich nach Australien, um dort zu unterrichten. Aber ansonsten ist noch nichts geplant.