Du und die Kunst – wie habt ihr euch getroffen?
Kunst, ist in meiner Familie seit Generationen ein Thema. Ich mag aber nicht den Satz: „Ich habe als Kind schon gemalt“ Haben wir das nicht hoffentlich irgendwie alle getan?
Was hat dich besonders geprägt auf dem Weg zu der Künstlerin, die du heute bist?
Ein Buch meines Großvaters, „Wie lerne ich zeichnen?“ Von J. van Dijck, um 1910 erschienen. Das vererbte er meinem Vater und dann durfte ich es haben. Als Kind habe ich versucht meinen Mädchennamen in Sütterlinschrift unter den meines Vaters zu schreiben. Inzwischen zerbröseln die Seiten schon fast beim Umblättern. Die Zeichenübungen umfassen noch uralte Themen, mit denen meine Enkel heute gar nichts mehr anfangen können.
Und natürlich prägten mich viele Dozenten, deren Kurse ich besuchte. Die waren dann schwerpunktmäßig abstrakt.
Mit welchen Mitteln und Materialien arbeitest du heute vor allem?
Acryl, Spachtel, Gummispachtel, Pinsel, meinen Händen, Spachtelmasse, Marmormehl, Monotypien, Frottagen, Kaffee, Schellack, Moorlauge, Bitumen, Plakatabrisse … und so alles was geht … Meine Kurse heißen nicht umsonst „Geht nicht – gibt’s nicht!“
Woran erkennt man deine Bilder?
Sie sind in erster Linie vielseitig. Aber, wie mir von vielen Seiten bestätigt wird, in einem wiedererkennbaren Stil, einer „Handschrift“ die sich durchzieht. Oft in der Kombination abstrakt und gegenständlich mit zeichnerischen Elementen.
Welche Themen interessieren dich?
Viele! Das ist ja das Spannende und auch die große Freiheit: sich vielen Themen zu widmen. Mir gefällt die Umsetzung der figurativen Motive. Als Hamburgerin habe ich auch weiterhin eine Affinität zum Hafen und zu urbanen Themen. Ich will mich da nicht so festgelegt wissen. Einige Originale sind mit einem Augenzwinkern zu betrachten. Manchmal ist es der Farbrausch oder der großzügige, haptische Auftrag der Materialien und dann wieder ganz pingelig ein mich faszinierendes Detail.
Gibt es etwas, das du durch Kunst in den Menschen bewegen willst?
Das hört sich vermessen an … Wenn überhaupt, möchte ich die Neugier auf weitere Betrachtungen und die Leidenschaft für das Abstrakte wecken. Sozusagen die Phantasie anregen. Meine Bilder sind nicht auf den ersten Blick zu erfassen, es sind ständig neue Dinge zu entdecken. Ich bekomme öfter Rückmeldungen meiner Kunden, die sich noch nach vielen Jahren an den Bildern erfreuen und sich offensichtlich nicht damit langweilen. Meinen Teilnehmern möchte ich in ersten Linie den Spaß und die Lust am Malen wiedergeben.
An welchem Ort arbeitest du – und wie hast du dich dort eingerichtet?
Mein Atelier verteilt sich bei uns im Haus im Erdgeschoss auf ca. 110 qm. Ich habe dort 3 Arbeitsräume mit eine „Farbmatschspülecke“, eine Teeküche und ein Kunden-WC. Es gibt neben meinem konstanten Bereich 10 weitere Arbeitsplätze für meine Kursteilnehmer. Mein Mann und ich bewohnen die beiden oberen Geschosse. Es besteht für mich die Möglichkeit, auch großformatig zu arbeiten oder mich auszubreiten. Und das nutze ich natürlich hemmungslos. Leider bewahre ich viele Dinge auf, die man ja vielleicht noch mal irgendwie brauchen kann. Somit besitze ich einen großen Fundus von Plakatabrissen, Monotypien, Frottagen und vielen verschiedenen Materialien. Wenn ich nicht von Zeit zu Zeit schweren Herzens aussortieren würde, und es fällt mir wirklich schwer, würde ich einen akuten Platzmangel verzeichnen müssen. Mein Arbeitsplatz ist meistens völlig überladen mit Materialien, die ich gerade meine zu benötigen. Ich habe aber den Überblick und greife zielgerichtet die benötigten Dinge. Im Gegensatz dazu sehen meine Originale nach Fertigstellung immer manierlich aus. Anschließend räume wieder akribisch auf, aber halt nur bis zum nächsten Bild, siehe oben… ich kann halt nicht anders.
Was brauchst du außerdem, um gut arbeiten zu können?
Zeit, manchmal auch Zeitdruck.
Wie beginnst du ein Kunstwerk?
Ich fange überwiegend einfach an und entscheide dann spontan. Wenn während des Arbeitsprozesses ein Thema entsteht, bleibe ich eine Zeit lang dabei oder nehme es nach ein paar Jahren wieder auf. Bei den gegenständlichen Figuren skizziere ich vor.
Wann bist du zufrieden mit deiner Arbeit?
Das dauert sehr, sehr lange… es gibt zwischendurch immer wieder große Zweifel. Bereiche, die ich noch am Vortag als gut empfunden habe, werden wieder verworfen und übermalt. Ich arbeite lange an den Bildern und immer an mehreren Originalen gleichzeitig, bin aber auch mein größter Kritiker.
Und ich hatte mir nach meiner ersten, doch sehr überraschenden und gut laufenden Ausstellung vor ca. 20 Jahren Ziele gesetzt, was ich beruflich mit meiner Kunst erreichen wollte. Sozusagen eine Prioritätenliste.
1. Eine kontinuierliche, künstlerische Weiterentwicklung
2. Gute Ausstellungsorte
3. Die Kunst zum Beruf zu machen und davon leben zu können
4. Eine eigene Malschule
5. Echte Ausstellungen in Galerien, nicht für teures Geld gekaufte Wandflächen
6. Ausstellungen in Museen
7. Regional, national und international
Die Liste ist zu meiner vollsten Zufriedenheit abgehakt. Alles was nun noch kommt, läuft unter Zugabe oder wie wir in Hamburg sagen: Ist der Bonsche obendrauf.
Wie fühlt es sich an, ein Kunstwerk gehen zu lassen?
Gut! Es bedeutet ja etwas fertiggestellt zu haben, was in erster Linie mir gefällt und in dem Moment vor meiner eigenen, inneren Kommission bestanden hat. Die Wahrnehmung für ein Bild ändert sich dann oftmals wieder im Laufe der Jahre. Sollte es dann noch Betrachtern gefallen und bestenfalls die Begehrlichkeit bei Kunden wecken, um so besser.
Was macht dir am meisten Vergnügen an der Kunst?
Ich immer noch mit viel Enthusiasmus in mein Atelier. Voller neuer Ideen, was aber nicht automatisch heißt, dass ein Bild von Anfang an gelingt. Ich arbeite immer an vielen Originalen gleichzeitig. Flächen werden wieder verworfen, überarbeitet, die Leinwand gedreht, manchmal zur Seite gestellt oder völlig neu gestaltet. Vergnügen macht mir der gesamte Malprozess, auch das Beobachten wie sich kleine Flächen entwickeln. Ich muss nicht Quadratmeter schaffen.
Beim Malen bin ich geduldig, da ist schnell mal eine Nacht durchgearbeitet. Das Kreative gibt mir die nötige Ruhe und ich vergesse die Zeit. Und natürlich machen die Ausstellungen, meine Projektarbeiten und der Umgang mit Teilnehmern und Kunden viel Spaß.
Und was nervt dich manchmal?
Nicht nur manchmal: Es nervt wenn Motive, Projektideen oder Texte kopiert werden und man seine Sachen im Internet wiederfindet, wenn andere Künstler sich mit meinen Ideen profilieren. Schließlich habe ich viel Arbeit und Zeit darin investiert. Scheint der Zeitgeist zu sein, nicht mehr selbstständig denken zu müssen. Und nein, die Meinung vieler Leute, toll, deine Ideen werden kopiert, ist nicht toll sondern unverschämt. In meinen Kursen darf kein Teilnehmer abmalen, auch nicht nur für den sogenannten Hausgebrauch, wie ja dann immer gerne argumentiert wird. Das Urheberrecht eines Künstlers ist durch unsere digitalisierte Welt leider gesellschaftlich nicht anerkannt. Und ich habe leider mehr Ideen als Zeit und die lästige Büroarbeit nervt…
Was machst du, wenn du nicht malst?
Der Büroanteil als Einzel-Kunst-Unternehmerin wird leider unterschätzt. Die Arbeit, sprich Mails, Ausstellungsvorbereitungen, Katalogisierung der Originale, Kursbuchungen, Reisevorbereitungen, Ausstellungsbewerbungen, Fotos, Prospekt- und Kartengestaltung, Steuer-und Umsatzsteuererklärungen, sonstiger Schriftverkehr und vieles mehr, kostet viel mehr Zeit als mir lieb ist. Schließlich bin ich ja Künstlerin, Sekretärin, Organisatorin und für das Marketing zuständig.
Neben meiner Arbeit im Atelier und der angeschlossener Malschule, bin ich gut beschäftigt als Dozentin für abstrakte Malerei bei Reiseveranstalter und Unternehmen und war Organisatorin der fünfmaligen „sommerakademie dieser ART“ bis 2016 in Hamburg.
Zu den Projekten gehört seit 2009 eine jährliche Spendenaktion der Ateliergemeinschaft Ines Kollar, dessen Verkaufserlöse zu hundert Prozent verschiedenen sozialen Einrichtungen im Norden zu Gute kamen. Über 9.600 € konnten bislang gespendet werden. Wie ich finde eine stolze Summe für ein Atelier. Zweimal habe ich mich auch an der Hamburger Kunstauktion „LebensKünstler“ der NCL-Stiftung beteiligt.
Eine weitere große Leidenschaft ist unser Garten der direkt an mein Atelier knüpft. Hier stehen viele selbstgeschmiedete Skulpturen, bemalte Stühle, bepflanzte Jeanshosen, “blühende Köpfe“, ein altes Küchenbuffet und so weiter.
Wir haben bisher 6 Mal am „Offenen Garten in Schleswig-Holstein“ teilgenommen. Da sich meine Arbeitsräume, wie schon gesagt im Erdgeschoss befinden und wir eine Grenzbebauung haben, gehen an den Wochenenden auch alle Besucher durch das Atelier. Viele sind überrascht, aber auch erfreut, so unvermittelt auf Kunst zu treffen.
Mein Mann Jürgen Zocher und ich sind gerne Gastgeber, beruflich und privat.
Wir sind seit 15 Jahren eine große Patchwork-Familie, mit 5 erwachsenen Kindern, 4 Schwiegertöchter und derzeit 5 Enkelkindern.
Als leidenschaftliche Köchin und Bäckerin werden Besucher meiner Ausstellungen, den Workshops, dem offenen Garten und beim jährlichen “Plausch im Atelier“ gut und reichlich verköstigt.
Es macht einfach Spaß, ein offenes und gastfreundliches Atelierhaus zu haben und das auch zu leben.