Warum malst du?
Ich suchte ein Hobby, das nicht draußen stattfindet und auch nichts mit Sport zu tun hat! Spaß beiseite: Das Malen, das Ausdrücken eines Gefühls oder einer Stimmung mit Farben auf der Leinwand, macht mir einfach extreme Freude. Es tut mir und meiner Seele gut. Vor allem die prozesshafte Wirkung der schon gemalten Bildteile auf die nächsten Pinselstriche, die weitere Entwicklung des Bildes, das ist spannend. Insofern ist meine Malerei zunächst ein sehr selbstbezogener Prozess. Gelungene Bilder wollen dann aber auch ausgestellt werden.
Die Kunst und du: wie habt ihr euch getroffen?
Die Kunst ist mir irgendwie zugelaufen. Ich male seit 2013 ernsthaft und leidenschaftlich gern. Ein konkret benennbares Erweckungserlebnis dafür gab es nicht. Aber sicher hat der Umzug nach Berlin ein Jahr zuvor und die Möglichkeit, sich hier in Berlin intensiv mit Malerei auseinanderzusetzen, die vielen Museen, Galerien und Projekträume, mir einen entscheidenden Kick gegeben.
Wie hat sich deine Kunst entwickelt?
Anfangs habe ich mehr experimentiert und öfter einfach drauf los gemalt und gerakelt. Heute sind meine Bilder – mit Ausnahme der abstrakten – geplanter und durchkomponierter. Die Kombination aus Ausdruck und Stimmung einerseits und Bildmotiv andererseits stehen meistens fest, bevor ich die erste Farbtube öffne. Ich habe dann schon eine recht genaue Vorstellung, wie das Bild werden soll. Wobei der Malprozess noch genug Raum lässt, dass sich der ursprüngliche Plan noch ändern kann.
Woran erkennt man deine Kunst?
Vielleicht an den grellen, lauten Farben, den verrakelten Flächen und den unscharfen, eingerissenen Konturen. In den neueren Bildern tauchen auch oft bauklotzähnliche Elemente auf. Und alles wirkt wohl ein wenig unaufgeräumt oder rau.
Wie nennst du deinen Malstil?
Puh – schwer zu sagen. Die gängigen Stilbezeichnungen passen alle nicht so 100-prozentig. Meine gegenständlichen Bilder sind wohl eine zeitgenössische Spielart des Expressionismus – teils mit einem Hauch „art brut“.
Welche Themen sind wichtig für dich und deine Arbeit?
Jenseits der Malerei bin ich ein politisch interessierter und politisch denkender Mensch. In meinen Bildern findet das Politische jedoch keinen direkten Ausdruck, es wirkt höchstens als Hintergrundrauschen aus weiter Ferne. Beim Malen geht es mir meist um eher „archaische“ Themen wie Bedrohung, Angst und Hoffnung, Tod und Aufbruch sowie um das Individuum mit seinen inneren Befindlichkeiten und seinem „So-Sein“, das klarkommen muss, in seinem sozialen Umfeld beziehungsweise in der Gesellschaft.
Welches sind deine wichtigsten Inspirationsquellen?
Szenen aus Büchern, wie bei der Hommage an Christopher Boone, dann Landschaften und Stadtszenen, wie der Bus in Catania, also Szenen, die ich im Urlaub gesehen habe – da bin ich wohl aufmerksamer und aufnahmefähiger als im gehetzten Alltag. Stark inspiriert mich auch die Malerei anderer. Die meisten meiner Bildideen kommen aber von innen, aus dem Bauch. Etwas pathetisch ausgedrückt, kehre ich beim Malen oft die Seele nach außen, male innere Landschaften.
An welchem Ort arbeitest du und wie hast du dich dort eingerichtet?
Ich lebe im Berliner Wedding. Dort male ich in unserer Wohnung. Dazu habe die eine Hälfte meines recht großen Zimmers in ein kleines Atelier umfunktioniert. Kollateralschäden bleiben dabei nicht aus, Farbpigmente und Farbkleckse haben einen unheimlichen Bewegungsdrang. Schön ist aber, zu jeder Tages- und Nachtzeit auf mein Malzeug zugreifen zu können – ohne lange Wege.
Was brauchst du sonst, um gut malen zu können, ganz technisch?
Ich brauche Platz, um neben der Staffelei auch horizontal auf dem Boden rakeln zu können. Schön ist, viele Möglichkeiten zu haben, also Leinwände in unterschiedlichen Formaten und natürlich vor allem viele verschiedene Acrylfarben und Farbpigmente. Aber falls was fehlt – das Klebeband ist alle und die aktuelle Lieblingsfarbe leer –, kann das auch beflügeln: Provisorien und „Notlösungen“, beispielsweise eine selbst gemischte Farbe, ergeben manchmal überraschende, neue Effekte.
Ansonsten brauche ich beim Malen noch Musik – Tocotronic, Two Gallants, Beatsteaks – und einen leckeren Weißwein.
Wie entstehen deine Bilder?
Bei den geplanten Bildern gibt es zunächst eine unfertige Idee, die noch reifen muss. Beispielsweise beim „Schwermütigen Mann“ wollte ich das Instabile und Bedrohliche der Welt, die Angst vor Einsturzgefahr malen. Die Idee lasse ich dann im Kopf herum rumoren, bis eine passende Ausdrucksform gefunden ist, beim genannten Bild war es das Aufeinandertreffen von düsteren Nebelwänden im Stile Gerhard Richters auf meine bunten, kindlich naiven Bauklotz-Elemente.
Daneben gibt es die recht spontanen Einfälle: Als ich Karl Schmidt-Rottluffs „Drei Tannen“ gesehen habe, war mir sofort klar, dass die Büsche im Bildvordergrund unbedingt zu angriffslustigen Rebellen verfremdet werden wollen.
Die abstrakten Bilder sind hingegen weiterhin recht ungeplant, das Bild entsteht erst im Malprozess selbst. Technisch gesehen arbeite ich oft mit mehrfach übermalten Farbflächen und der Rakeltechnik: Dabei drücke ich die Farbe aus der Tube direkt auf unterschiedlich große Lineale und ziehe die Farbe mit unterschiedlichem Druck – und dadurch mal mehr oder weniger flächendeckend – auf die Leinwand.
Wie fühlt es sich für dich an, deine Bilder loszulassen?
Das ist ein trauriger, schmerzlicher Abschied. Tröstlich ist, wenn die Bilder vorher eine Zeit lang bei mir gehangen haben. Und tröstlich ist auch, dass ich von allen Bildern Fotos habe, die ja da bleiben. Vor allem aber hilft es um loszulassen, zu wissen, dass das Bild ja nun irgendwo anders hängt, gesehen wird und anderen Freude macht.
Gibt es etwas, das du durch Kunst in den Menschen bewegen willst?
Das ist seltsam. Beim Malen selbst blende ich die Wirkung des Bildes auf andere total aus. Das fertige Bild soll aber dann sehr wohl etwas bewirken – da geht es mir wahrscheinlich wie allen, die malen. Die Bilder sind „exhibitionistisch“, sie wollen gesehen und ausgestellt werden. „Zum Nachdenken anregen“ trifft das Ziel nicht richtig, das ist zu verkopft, dazu sind meine Bilder zu sehr Bauchsache. Vielleicht so: Ich freue mich, falls meine Bilder emotional ansprechen, teils verstören, emotionale Bodenunebenheiten und Stolpersteine sind gegen das Gradlinige und Zweifel säen: Im Zweifel für den Zweifel!
Hast du Vorbilder?
Ich habe keine Vorbilder in dem Sinn, dass ich dem Vorbild nacheifern und ich mich ihm und seiner Kunst annähern will. Das wäre ja auch vom Malprozess her gesehen ein langweiliges Kopieren und aufs Ergebnis bezogen größenwahnsinnig und total zum Scheitern verdammt. Aber Helden zum Niederkien, die habe ich: die deutschen Expressionisten wie Karl-Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel sowie – ganz anders malend – Gerhard Richter.
Was macht dir am meisten Spaß an der Kunst?
Mich mit Farben auszudrücken und „ein Werk“, etwas Eigenes und Persönliches zu schaffen. Das schöne an der Malerei ist ja, dass sie wie Ausdruckstanz ist, aber ganz ohne Tanzen auskommt!
Und was nervt dich manchmal?
Das Wegputzen der Farbflecke in der Wohnung! Also Jammern auf hohem Niveau und eigentlich ist alles gut! Manchmal denke ich, es wäre toll, noch viel mehr Zeit fürs Malen zu haben. Aber andererseits ist der Umstand, dass die Malerei nicht meine Haupterwerbstätigkeit ist, auch ein schöner Luxus, der Freiheiten schafft: Ich muss mir so ja weniger einen Kopf machen, was gefällt und vermarktbar und verkäuflich ist und ich kann die teils seltsamen Spielregeln des seltsamen Kunstmarkts ein wenig ignorieren.
Wie reagieren die Menschen auf deine Bilder?
Schade, dass wir jetzt nicht auf einer Ausstellung meiner Bilder sind und die Richtigen fragen können! Die Reaktionen, die ich mitbekomme, sind sehr unterschiedlich und das ist ja auch gut so. Von manchen bekomme ich viel Lob, sie sehen und schätzen das Ungehobelte und Expressionistische in meinen Bildern. Manche mögen auch den Schalk im Nacken, der in einigen Bildern durchscheint. Ich habe aber auch schon erlebt, dass einige meiner Bilder als zu düster, niederdrückend und depressiv wahrgenommen wurden, Bilder, in denen ich selbst nur einen Hauch von Melancholie erkennen kann.
Was tust du, wenn du nicht malst?
Einer Teilzeit-Erwerbsarbeit nachgehen, damit der Kühlschrank nicht leer bleibt und das Konto nicht knietief im Dispo steckt. Fußball – leider zurzeit nur passiv – und Doppelkopf. Und viel lesen. Man soll ja mit Superlativen vorsichtig sein, aber Mariana Lekys „Was man von hier aus sehen kann“ ist meine Buchempfehlung des Jahrzehnts! Jetzt hätte ich fast was sehr wichtiges vergessen: In Museen und Ausstellungen gehen und moderne Malerei genießen – natürlich!