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Be part of the art

Marion Tischler

Malerin aus Osnabrück

Für Marion Tischler ist Kunst so wichtig wie Lebensmittel. Die Osnabrückerin, die sich der Copy Art und Malerei widmet, arbeitet auch als künstlerische Leitung einer Werkstatt für KünstlerInnen mit Handicap. Wir sprachen mit ihr über ihre Arbeiten, die Faszination an ungewöhnlichen Materialien und die Intention hinter dem Projekt „Ein Herz für Künstler“.

 
„Kunst ist Lebensmittel.“

Videoporträt

Impressionen

 

Alle Fotografien von Sigrun Strangmann, www.sigrunstrangmann.com

Interview

Marion, wie bist du zur Kunst gekommen?

Ich bin über Umwege zur Kunst gekommen, weil ich erst unter anderem Mathematik studiert habe, als Sonderpädagogin, und gar nicht viel mit Kunst zu tun hatte. In meinem Umfeld gab es keine Menschen, die sich professionell mit Kunst beschäftigt haben. In der Schule bin ich oft nicht in die Kunstkurse gekommen (lacht). Manchmal denke ich : Gott sei Dank! So hatte ich alle Möglichkeiten noch offen. Ich erinnere mich, dass ich in meiner Dorfschul- und Realschulzeit früher zu den Hausaufgaben immer was gemalt habe, zu Englisch, Mathe, immer ein Bild dazu. Das war vielleicht mein erster Zugang. In Osnabrück hab ich dann angefangen Malkurse zu belegen und hatte das Glück, dass der Osnabrücker Künstler Helle Jetzig mich unterstützt hat. Er hat hier gegenüber sein Atelier, das er mir manchmal zur Verfügung gestellt hat, wenn er im Urlaub war. Ich konnte dort arbeiten und einfach mal testen: wie ist das den ganzen Tag zu malen? Bin ich dazu überhaupt in der Lage? War kein Thema. Ist zwar manchmal etwas einsam, wenn man acht Stunden alleine arbeitet, aber irgendwie hat mir das trotzdem gefallen.

Finanzierst du mit der Malerei dein Leben?

Ha! Das ist ja meine Lieblingsfrage! (lacht) Also ich finanziere, wie die meisten Künstler, mein Leben auch noch mit anderen Tätigkeiten, das sind meine Brotjobs sozusagen. Ich habe jetzt eine Tätigkeit gefunden, die mir total Spaß macht: nämlich die als künstlerische Leitung einer Kunstwerkstatt. In diesem Gemeinschaftsatelier arbeiten KünstlerInnen mit Handicaps, deren künstlerische Arbeit ich unterstützend begleite und wo ich auch selber künstlerisch arbeite.

Wie entstehen deine Bilder?

Das ist ein ziemlich langer Prozess, der nicht bei Null beginnt. Das heißt, ich fange nicht mit einer weißen Leinwand oder einem weißen Blatt Papier an, sondern bei mir fängt alles mit einem Abbild an. Nämlich mit einer Schwarz-Weiß-Kopie, die ich dem Internet entnehme oder aus Zeitschriften kopiere und dann weiterführe. Die Bearbeitung erfolgt bereits am Fotokopierer oder am Rechner vorab. Dann klebe ich diese Kopien auf einen Bildgrund, entweder auf Papier oder Holzkästen, und beginne dann mit Beize, Lack oder Lackstiften darauf zu malen.

Was ist dein liebstes Arbeitsmaterial? Und warum?

Ich finde eigentlich alle Materialien zum Arbeiten spannend und würde mich jetzt gar nicht so festlegen auf eins, obwohl ich schon länger mit vielleicht eher ungewöhnlichen Materialien arbeite. Wenn ich erzähle, dass ich Künstlerin bin, kommt direkt die Frage: Öl oder Aquarell? Nein, eher untypisches Material wie Lack, weil es eben diesen Glanz hat und diese Struktur hinterlässt. Wenn ich ein paar Lackschichten übereinanderlege, dann hab ich keine ganz glatte Fläche, sondern immer eine Erhöhung, und das finde ich ganz spannend an Lack, der eben auch Material ist und nicht nur ebene Fläche.

Du arbeitest viel mit grafischen Formen. Was bedeuten sie für dich?

Für mich bedeutet nicht so sehr die grafische Form etwas, sondern der Prozess des Arbeitens an sich. Jedes Bild von mir enthält ein Abbild eines massenmedial vermittelten Bildes, auf das ich reagiere oder anders ausgedrückt: das ich recycle. Das Spannende für mich ist, dass ich vorher gar nicht weiß, was nach der Bearbeitung herauskommt, dass nichts vorherbestimmbar ist, denn ich realisiere kein vorgefasstes Konzept. Eins ergibt sich aus dem anderen. Ich lasse mich auf das ein, was schon vorgegeben ist. Dieses spontane Reagieren auf Vorhandenes ist für mich das Interessanteste dabei. Das Arbeiten mit dem Material Lack verlangt, dass ich immer ganz kurze Arbeitsschritte mache. Ich arbeite kurze Zeit an einem Bild, dann lege ich es weg und dann kommt erst mal ein anderes dran. Dies erklärt auch meine serielle Arbeitsweise, denn andernfalls müsste ich immer zwei bis drei Tage warten bis das Bild trocken ist. Dieses schnelle und spontane Umsetzen, dieser offene Prozess macht mir am meisten Spaß.

Du lässt dich und deine Kunst von der Medienwelt inspirieren. Erkläre uns das bitte einmal genauer.

Ich nehme das, was mich umgibt und was ich spannend finde. Und das finde ich im Internet oder in Zeitschriften oder auch in eigenen Fotos. Das bislang Spannendste und die größte Herausforderung für mich war es, Werbeanzeigen zu bearbeiten. Bei den Designern heißen sie „Schweinebauch-Anzeigen“, weil da Schwein, Wurst, Turnschuh und Trainingsanzug auf einer Seite beworben werden. Kann ich daraus was machen, was nicht mehr Schweinebauch-Anzeige ist? Fällt mir dazu was ein? Kann ich dieses fleischlastige Printmedium in Kunst verwandeln? Kann ich das Abbild so weit verändern, dass für mich hinterher ein abstraktes Bild herauskommt? Kann ich eine neue inhaltliche Aussage erzeugen?

In welches Genre ordnest du selbst deine Kunst ein?

Vielleicht Copy Art. Denn die Bearbeitung von Kopien, das Transformieren spielt eine große Rolle in meiner Arbeit. Aus Vorgebenenem entwickle ich etwas Neues. Aber meine Arbeit ordne ich dennoch auch der Malerei zu. Mit Kopieren alleine ist es ja nicht getan. Der ganze Prozess umfasst Kopieren, Bildbearbeitung, neu zusammenstellen, Montieren und die malerischen Überarbeitungen.

Ich habe zwei Schwerpunkte in meiner künstlerischen Arbeit: die Malerei und die partizipatorischen Projekte. Bei meinen partizipatorischen Projekten wie „Kunst S:nack - der mobile Kunstkiosk“ spielt nicht so sehr das Werk, sondern Ereignisse eine Rolle. Diese Ereignisse sind unsichtbar und heißen Kommunikation und aktive Teilhabe des sonst zumeist passiven Betrachters.

Hast du ein Vorbild in der Kunst?

Sigmar Polke finde ich interessant, weil er viel experimentiert in seiner Arbeit und ein breites Spektrum hat von Materialien und Stilen, die er verwendet. Ich finde es gut, wenn ein Künstler nicht so festgelegt ist auf eine bestimmte Richtung. Die Parallele zu mir ist, dass er sich auch Massenmedien einverleibt und in seinen Bildern parodistische Kommentare zur Konsumgesellschaft äußert. Was ich ja auch gerne mache in bestimmten Arbeitszyklen wie in meiner Serie „Extra Billig“.

Was hat es mit „Ein Herz für Künstler“ auf sich?

Meine Arbeit „Ein Herz für Künstler“, genau wie die Serie „Gutschein für ein Kunstwerk ihrer Wahl“, räumt auf mit dem Klischee des Künstlers als entrückter Existenz, die keinen monetären Zwängen unterworfen ist. „Ein Herz für Künstler“ soll deutlich machen, dass der merkantile Aspekt in einem Künstlerleben eine Rolle spielt. Ich werde so oft angesprochen, ob ich nicht eines meiner Werke stiften oder spenden will. Ich hab das oft genug gemacht, aber irgendwann kriegst du echt zu viel. Jetzt starte ich im umgekehrten Zuge eine Gegenkampagne. Parallel zum Original gibt es eine Sondermarke, die bei jedem Kauf garantiert ein Kunstprojekt oder einen Künstler unterstützt.

Was bedeutet die Kunst für dich?

Dazu habe ich gerade eine Briefmarke entworfen, die heißt „Kunst ist Lebensmittel“ und das ist sie auch für mich. Kunst ist mindestens genauso wichtig wie ein Lebensmittel wenn nicht sogar wichtiger, hat nährenden Charakter und ist nicht wegzudenken aus meinem Leben.

Was sind deine nächsten Projekte?

Ich bin wieder nach Berlin eingeladen in den Projektraum mp43, wo von KünstlerInnen gestaltete Biefmarken ausgestellt werden. Diese besonderen Sammelobjekte können als Sonderedition ins Briefmarkenalbum aber auch -um aufzufallen- im Postverkehr Verwendung finden.

Du gibst Malerei-Kurse für Kinder und Erwachsene. Was ist das Tolle an der Arbeit mit Kindern?

Da ist einfach so viel an Energie und Lust, etwas auszuprobieren und das finde ich klasse. Das Material an sich übt eine so große Faszination aus, dass es oft sofort losgeht. Da kann man selbst noch eine Menge lernen, bei so viel Offenheit, Begeisterungsfähigkeit und Mut.

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